Filip Moroder Doss - Bildhauer aus Gröden

  
Zwischen sakral und profan

Ein Bildhauer, der in den Alpen beheimatet ist, ist dem Faszinosum der Bergwelt ausgesetzt: Unwillkürlich richtet sich sein Blick nach oben, er sieht die Umrisse der Gipfel, die den Himmel berühren. An einem solchen Horizont wird die Grenze der irdischen Dinge greifbar, man kann das Geheimnis des Seins wahrnehmen und eine jenseitige Welt erahnen.

Die Dolomiten sind eine Seelenlandschaft voller Sagen und Legenden. Filip Moroder Doss hat sich von diesen Erzählungen anregen lassen. Er spürte ihrem Wesen nach, nahm bestimmte Elemente auf und formte sie nach seinem Gestaltungswillen um. Im Werk von F.M.D. scheinen die Sagen um eine versunkene Wahrheit zu wissen, doch sie hüllen sich in ein geheimnisvolles Schweigen.

Unentwirrbar ist die Verflechtung von sakralen und profanen Impulsen. F.M.D. ist davon überzeugt, dass die sakrale Ebene unsere irdische Dumpfheit aufzuhellen vermag. Der materielle Gegenstand wird schön, er bekommt seine Daseinsberechtigung, wenn er unser Denken für den göttlichen Funken öffnet. Die Phantasie ermöglicht es, Gefühle und Empfindungen in eine greifbare Form zu gießen. Der Bildhauer ist auf der Suche nach der Sinnhaftigkeit seines Handelns, er sucht einen Weg der inneren Einkehr, jenseits der Belastungen des Alltags, möglichst frei vom Blendwerk eitler Verzierung. Seine Werke sind mehr als das Ergebnis gekonnter Handfertigkeit.

Alles Menschliche löst sich allmählich in fließenden Bewegungen auf, in leuchtenden Oberflächen einer feinen Vergeistigung. Viele seiner Werke suggerieren eine beinahe schwerelose Leichtigkeit: In ihnen
spürt man den Drang nach oben, als lösten sie sich von den irdischen Zwängen. Durchdrungen von dieser Leichtigkeit wecken sie sanfte Emotionen, frei von jeder Rhetorik. Nie bleibt der Blick an den irdischen
Dingen hängen: Die Skulpturen locken uns vielmehr in eine andere Dimension, in die Welt des Glaubens. Das Profane der erlebten oder erlittenen Alltäglichkeit ist Ausdruck flüchtiger Materie; das Sakrale entledigt sich der materiellen Zwänge und zeigt unsere wahren Bedürfnisse.

F.M.D. inszeniert Erfahrungsräume für das leise Wirken seiner Werke. Die Skulptur ist lediglich ein Zeichen, ein Vorübergehen, das sogleich in die Immaterialität zurücksinkt. Sie ist nur eine Schwelle, um die Grenzen alltäglicher Zeitlichkeit zu überschreiten.

Der Bildhauer fühlt sich seinem Schöpfer verpflichtet, dem Herrn aller Dinge, dem er sich mit seinem Werk anvertraut. Ihm strebt er zu, ihm allein gebührt Ehre.
In einigen seiner Werke inszeniert F.M.D. vielstimmige Darstellungen, die im Glauben an den Dreieinigen Gott gründen. Der künstlerische Ausdruck zeichnet einen diesem Gott zugewandten Weg vor, den man zusammen mit anderen gehen kann.

Christus, der Mensch geworden ist, ist das Bindeglied zwischen der irdischen Welt und dem Jenseits. In manchen Werken wird das Jesuskind, Gottes kostbarste Gabe, zum goldenen Juwel.

Die Gottesmutter Maria erschöpft ihr Wesen nicht in der irdischen Existenz als leibliche Frau. Der Grödner Bildhauer spielt vielmehr auf den abschließenden Gesang von Dantes Göttlicher Komödie an: Am Ende seiner langen Reise wünscht Dante im Paradies endlich Gott zu schauen und bittet den Heiligen Bernhard von Clairvaux, einen der großen Förderer des Marienkultes, um Fürsprache bei der Jungfrau. Der Heilige richtet sein Gebet an die "Vergine Madre, figlia del tuo figlio, / umile e alta più che creatura" ("O Jungfrau, Tochter des, den du gebarst, / So demutsvoll und hoch, wie sonst kein Wesen").

F.M.D. möchte mit seinem Werk Zeugnis ablegen von dem, was ihn innerlich bewegt. Er spürt, die ausführende Hand eines Willens zu sein, der über ihn hinaus geht. In den sakralen Werken wird sein Bedürfnis deutlich, seinen eigenen Glauben zu leben, ihm Form zu geben und ihn dadurch zu bewahren.

Der Mensch steht stets am Scheideweg: Er kann nach den Bedürfnissen des Fleisches leben und sich mit der irdischen Dimension zufriedengeben; oder er wählt den Weg der Läuterung und der Kontemplation. Im Glanz des Wahren erstrahlt eine höhere Schönheit, eine Schönheit geistiger Natur.


Marco Forni - Wolkenstein 2015


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